Ein Gebäude ist nie allein

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Das Ensemble als räumliches Team

Liegenschaften werden meist nach ihren Lagen und ihren Standortqualit?ten bewertet. In den letzten beiden Blogs habe ich baubiologische und raumpsychologische Aspekte besprochen. Beiden Blogs war die Betrachtung der einzelnen Liegenschaft gemein. Nun liegt aber keine Liegenschaft alleine oder gar isoliert im Raum. Andere grenzen an. Was passiert bei gebäudlicher Nachbarschaft, welche zwischenräumliche Aspekte tun sich da auf? Ich begebe mich auf Spurensuche des baulichen Miteinanders.

Wir sprechen vom Bauensemble oder Gebäudeensemble. Der Begriff stammt aus dem Französischen = ensemble und meint Gesamtheit, Einheit. In unserem Fall mehrere Bauwerke, die als Gruppe wahrgenommen werden.

Heute gewinnt man manchmal den Eindruck, als hätten die Häuser mit ihren Nachbarbauten und der Straße, in der sie stehen, nichts zu tun. Zwar ist in der heutigen Bauordnung immer noch vom „Stadt- und Ortsbild“ die Rede, aber die Verbindlichkeit eines solchen Bildes ist Geschichte.

Wir sind es gewohnt, nur das einzelne Projekt im Blick zu haben. Und nur wirtschaftliche Aspekte zuzulassen. ?sthetik, Ensemble und Nachbarschaft sind Teil einer Fremdsprache. Eine Sprache, die viele aus Entscheidungstr?ger nicht sprechen.

Gemeinsames Land

Tatsächlich ist keine Liegenschaft für sich. Sie ist eingebettet in einem größeren Zusammenhang. Ein (ehemaliger) Landschaftsraum, ein Dorf- oder Stadtorganismus, ein Straßenzug oder Gebäudekomplex. Alles trägt die Qualität des Gemeinsamen, des Organischen, des Lebendigen. Eine Zerstückelung ohne verbindende Maßnahmen führt zur Verkümmerung der Lebendigkeit.

Gemeinsame Energiequellen

Lebensenergie ist atmosphärenbildend und kommt irgendwo her. Diese und andere Quellen der Lebendigkeit haben ihre Quellen und Ausbreitungswege. Wir müssen sie kennen und sie freihalten, damit Natur- und Kulturraum versorgt werden können. Eine Verbauung wäre nicht nur hinderlich, sondern kontraproduktiv für Qualität und Erfolg unseres unternehmerischen Handelns.

Bauen gegen die Landschaft

Lebensenergie zieht durch die Landschaft, wie die Frischluftzufuhr aus dem Hinterland durch die Stadt. Wenn wir ohne Rücksicht bauen, passiert es sehr schnell, dass wir dem Nachbar die Lebensenergiezufuhr abschneiden. Das ist vergleichbar, dem Nachbar das Wasser abzugraben, wenn wir ohne großräumige Prüfung einen Brunnen bohren.

Ensemble als kleinstes Gemeinsames

Bei Ensembles besteht zwischen den einzelnen Gebäuden ein geschichtlicher, künstlerischer und/oder kultureller Zusammenhang. Diese gewachsene Beziehung schafft eine Einheit, die für sich einen besonderen Wert darstellt und deren Erhaltung als Einheit im allgemeinen Interesse gelegen ist. Leider haben oft andere Interessen Priorität und Ensembles werden zerstört.

Die zweite Zerstörung

Durch das fortschreitende Aussterben der Ortskerne verwaisen auch immer mehr historische Gebäude – und beginnen zu verfallen, bis sie irgendwann nicht mehr zu retten sind. Unser historisches Erbe geht damit unwiederbringlich verloren, der Ortsplatz als sozialer Mittelpunkt verliert seine Bedeutung, handwerkliche Meisterleistungen verschwinden und Gemeinden verlieren Unterscheidbarkeit und Anziehungskraft.

Lückenhafte Funktionalität

Über den Schutz von Stadtquartieren, Straßenzügen oder anderen Gebäudeensembles lässt sich vortrefflich diskutieren. Tatsache ist, dass wir nicht nur laufend kunsthistorisch wertvolle Bausubstanz unwiederbringlich zerstören und unserer räumlichen Identität schaden, sondern ein räumliches Team auseinanderreißen. Ein Ortsorganismus mit Lücken funktioniert eben nur lückenhaft.

Bauten mit Einsamkeitsgefühl

Das Gefühl von Einsamkeit für das Haus gilt nicht nur für Sternchenhäuser. Jedes Haus in einer neuzeitlichen Siedlung steht für sich alleine. Dieses Gefühl hat sich auch auf das Dorf und die Stadt ausgebreitet. Früher war ein Straßenzug, ein Orts- oder Stadtteil, noch etwas Verbindendes. Heute sind die Häuser aufgelockert durch Abriss und Neubau dazwischen.

Einzeln, vereinzelt, allein oder einsam?

Was wie eine philosophische Herausforderung oder eine soziale Charakterstudie klingt, ist es auch. Was als Individualisierung und Selbstverwirklichung wichtige Züge trägt, entwickelte wie alles menschlich Kreierte auch ihre Kehrseiten. Wenn das Individuum als unteilbar letztes Glied der Gemeinschaft ein Einzelner und als solches Projekt seiner selbst geworden ist.

Denken und Handeln in Projekten

Diese Vereinzelung hat auch ihre Form in der gebauten Umwelt erfahren. Wir sind es mittlerweile gewohnt, vereinzelt zu denken. Auch bei der Realisierung von Bauprojekten. Wir sind gut darin, einzelne Projekte zu entwickeln und umzusetzen. Aber es scheint, dass wir dabei verlernt haben, dass jedes Projekt auch gemeinschaftlich relevant ist.

Sanierung statt Abriss

Mittlerweile dürfte allgemein bekannt sein, dass die Sanierung historischer Bausubstanz deutlich klimafreundlicher ist als der Neubau. Aber auch die baubiologische und raumpsychologische Qualität des Bestandes ist meist höher als im Neubau, was wiederum ein Indikator für Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen, Mitarbeiter wie Kunden, im Gebäude ist.

Baulicher Blick über den Tellerrand

Wenn dennoch neu gebaut wird, hat es viele Vorteile, das Projekt im umgebenden Baubestand einzuordnen. Die Nachbarschaft von alt und neu kann sehr befruchtend sein, wenn die Ästhetik mitspielt. Und das betrifft nicht nur die Fassade. Dazu braucht es ergänzend zum trainierten Projektdenken auch das oftmals unterentwickelte Ensembledenken.

Entstehung neuer Ensembles

Auch in Neubaugebieten, wie Gewerbezonen oder Stadtrandlagen, kann das ortsbildhafte Denken große Dienste erweisen. Es braucht die Zwischenräume, die Begegnungszonen, die kurzen Wege. All das trägt zur Qualität der räumlichen Zone bei. Und das ist nicht nur eine kommunale Aufgabe, sondern Mitverantwortung jedes einzelnen Projektträgers und dessen Planer.

Teil eines räumlichen Teams

Eine nachhaltige Zusammenarbeit von benachbarten Gebäuden läuft meist ohne ausdrückliche menschliche Wahrnehmung dessen ab. Indirekte personelle, soziale oder wirtschaftliche Indikatoren, wie z.B. Krankenstände oder Geschäftsentwicklungen, können damit in Zusammenhang stehen. Ein Zusammenhang, der kaum in Betrachtung gezogen wird.

Infrastruktur als Standortqualität

Auf physischer Ebene kann die umgebende Infrastruktur einen Standortvorteil bieten. Wie insgesamt  die klassischen Standortfaktoren der Immobilienbranche. Dazu gehören aber nicht nur die harten Faktoren, sondern auch eine Reihe weicher Faktoren, die sich mit gesellschaftlichen Veränderungen weiterentwickeln.

Metaphysische Räume

Es gibt sie, die nicht-physischen Räume. Energetische und psychologische Aspekte tragen zur Standortqualität meist mehr bei als die physischen. Aber was ist mit geistigen und seelischen Standortfaktoren? Wir haben im Blog „Kein Ort ohne Geist“ bereits darüber gesprochen. Sie beschränken sich nicht auf Grundstücksgrenzen, sie bilden größere Räume.


BETRIEBSIMPULSE
Mag. Wolfgang Strasser
Unternehmensberater

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