Praxisgestaltung Teil 4
Alle R?ume haben eines gemeinsam: Sie k?nnen objektiv gestaltet werden und sie k?nnen subjektiv er?lebt und erfahren werden. Beide Ebenen spielen bei der Gestaltung eines Praxis- oder Beratungsraumes eine entscheidende Rolle. Atmosph?ren, Stimmungen und Gef?hle beeinflussen dabei die Art und Weise, wie wir R?ume wahrnehmen und wie R?ume auf uns wirken. In Praxisr?umen braucht dies nicht dem Zufall ?berlassen bleiben, sondern kann aktiv gestaltet werden.
Der in einem Raum eintretende Mensch mit seinen Befindlichkeiten geht mit dem gestimmten oder geladenen Raum in Resonanz. Dabei werden Emotionen angesprochen und Gef?hle ausgel?st. Gef?hle k?nnen oft r?umlich werden. Jeder kennt das aus dem Fu?ballstadion, wo sich Begeisterung, Wut oder Langeweile wohl am deutlichsten als r?umliche Atmosph?ren manifestieren, die dem Menschen auch entgegentreten und ihn anstecken k?nnen. Auch klimatische Atmosph?ren haben oft selbst einen emotionalen Zug. Die Fr?hlingsstimmung ist r?umlich ergossen, sie ist ein messbares meteorologisches Ph?nomen und hat zugleich eine emotionale Qualit?t.
Das Wort ?Atmosph?re? wird h?ufig aus Verlegenheit verwendet, denn es bezeichnet etwas Diffuses, Unbestimmtes. Sie scheint nebelhaft den Raum mit einem Gef?hlston zu erf?llen. Man wei? nicht recht, was Atmosph?re ist und woher sie kommt – vom Ort, den verwendeten Materialien, den Gegenst?nden im Raum oder den Menschen selber, der die Atmosph?re erf?hrt. Die Antwort ist einfach wie komplex ? Atmosph?re entsteht aus allem Genannten. In diesem Artikel m?chte ich dem nachgehen und beschreiben, wie das funktioniert und was das mit unseren Praxis- und Beratungs?r?umlichkeiten zu tun hat.
Die Natur von Atmosph?ren
Atmosph?ren sind r?umlicher Natur und, wie Dunst und Hauch, fl?chtige Ph?nomene. So k?nnen sie sich aus Farben, Formen oder Materialien konstituieren, doch bleiben sie in gewisser Weise immer diffus. Diese wagen Beschreibungen r?hren auch daher, weil Aspekte des Lebens und der Lebendigkeit (noch) nicht mit in die Betrachtung einbezogen werden.
Atmosph?re ist die sp?rbare und wahrnehmbare Eigenlebendigkeit eines jeden Ortes, Raumes, Materiales und Gegenstandes. Wie die physische Atmosph?re die Erde umgibt, so ist auch jeder Ort und jedes Ding von der jeweils eigenen Atmosph?re eingeh?llt. Und sie entsteht auch durch den Menschen. Alle mentalen und emotionalen Abdr?cke des Menschen im Raum werden von den umgebenden Materialien gespeichert und f?rben die Atmosph?re.
Wir k?nnen uns Atmosph?ren nicht entziehen, sind sie allgegenw?rtig und ?berall pr?sent. Sie erzeugen Stimmungen, mit denen wir in Resonanz gehen. Ob und wie h?ngt auch von der eigenen Gestimmtheit ab. Sie k?nnen blo? wahrgenommen oder leiblich gesp?rt werden. Damit werden Gef?hle ausgel?st, die unsere Entscheidungen beeinflussen und uns zu bestimmten Handlungen veranlassen. Sie ?ben eine gewisse Macht auf uns aus, denn sie operieren im Sinnlichen und greifen im Unbewussten an. Atmosph?ren und Stimmungen werden so zum Bindeglied zwischen dem objektiv geometrischen Raum und dem subjektiv erlebten Raum, zwischen dem gestimmten Raum und der Stimmung des Menschen im Raum.
Die Wahrnehmung von Atmosph?ren
Nun klingt es fast widerspr?chlich, dass Umwelten wie Landschaft, Architektur oder Innenraum von den meisten Menschen atmosph?risch in ?hnlicher Weise erfahren werden. Auch bei subjektivem Erleben zeigen sich Atmosph?ren als objektive Gegebenheiten. Die Resonanz zwischen dem gestimmten Raum und der Stimmung des Menschen scheint prinzipiellen Gesetzm??igkeiten zu folgen. Man kann auch von einer Reproduzierbarkeit von Gef?hlen durch die Gestaltung von Atmosph?ren sprechen. Das erleichtert die Erstellung von Gestaltungskonzepten, erfordert aber auch das Wissen ?ber deren Gesetzm??igkeiten.
Die Gestaltung von Atmosph?ren
Das eigentliche Thema der Gestaltung eines Praxisraumes ist der gestimmte Raum. Atmo?spheric Design wird zur vielversprechenden Methode. F?r die Gestaltung von R?umen und deren ?berg?nge, aber auch als Gestaltungsmittel interaktiver Prozesse. Es kann im Sinne des urspr?nglichen Verst?ndnisses von ?Design? als Einheit von implizitem Gehalt und expliziter Gestalt verstanden werden.
Ortsqualit?t
Atmosph?re entsteht zuerst aus der Ortsqualit?t, dem ?Genius Loci?. Es ist etwas Eigenst?ndiges, von Betrachter und Gestalter unabh?ngig. Es braucht zuerst die Pr?fung, ob ein Ort geeignet ist f?r eine bestimmte r?umliche Zweckwidmung. Erst wenn diese Frage positiv beantwortet werden kann, folgt der Einbezug der ortsspezifischen Atmosph?re in die Gestaltung, um ihre Wirkung weiter zu entfalten.
Materialqualit?t
Wie die Ortsqualit?t haben auch Materialien und Gegenst?nde ihre Eigenqualit?t und Eigenlebendigkeit. Es macht einen Unterschied, ob wir Kiefer oder L?rche verwenden, Leder oder Schafwolle. Ihre Komposition im Raum ergibt eine wiederum eigene Gesamtatmosph?re. Durch Einbezug sinnlicher Materialeigen?schaften, wie Struktur, Textur oder Oberfl?che, kann je nach Verwendungszweck des Raumes eine Gestaltungsstrategie entwickelt werden.
Elementequalit?t
Die vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft haben ihre jeweils typischen Wirkungen auf den Menschen. Sie k?nnen durch Einbezug in die Architektur und Raumgestaltung aktiv genutzt werden.
Gestaltqualit?t
Sehr effektiv sind Gestaltungselemente, die prinzipiellen Gesetzm??igkeiten folgen, wie Resonanz und Anziehung, Polarit?t und Spannung, Rhythmus und Schwingung, Kreislauf und Zyklus, Entsprechung und Analogie, Ursache und Wirkung. Wir kennen sie aus unterschiedlichen Lebensbereichen, wenden sie aber kaum mehr bewusst in der Architektur und Raumgestaltung an.
Archetypen dagegen sind Spiegel der Lebensraumgestalt, egal ob sie bewusst eingesetzt wurden oder nicht. Ihr Fehlen wirkt ebenso wie ihr Dasein. Die Mitte ist das wohl wichtigste Element. Aber auch die Leere, Grenzen und Durchg?nge, Schwellen und ?berg?nge, Raumelemente, Prozessstufen, Ortszonen und Bereichsfelder pr?gen Orts- und Raumlandschaften.
Sinnliche Wirkung und Sinnlichkeit kann durch eine Gestaltung im menschlichen Ma?stab und durch Ber?cksichtigung von Ma? und Zahl sowie von Harmonik und Proportion hergestellt werden. Wir kennen den Goldenen Schnitt als ein Beispiel, das uns die Natur in vielf?ltiger Weise vorlebt.
Vitalqualit?t
Es braucht Lebensenergie, um Lebenskraft, Vitalit?t und Lebensfreude zu erhalten. Und es braucht einen achtsamen Umgang, damit sie nicht verloren geht. Die Nutzung von Ankerpunkten und Kraftpl?tzen und deren Verbindungen sind hilfreich, ebenso wie Symbole als Bindeglieder von ?u?erer und innerer Wahrnehmung.
Gestimmte und geladene R?ume
Die Wechselwirkung zwischen vom Raum bereitgestellter Atmosph?re und leiblichen Erleben oder sinnlichen Wahrnehmen der Atmosph?re erzeugt Stimmung. Wir sprechen von gestimmten oder geladenen R?umen. Dies hei?t aber auch, dass wir R?ume stimmen oder aufladen k?nnen.
Stimmen und Aufladen von R?umen
Stimmung kann durch Licht und Farbe, Klang und Musik, Duft, Temperatur und Feuchtigkeit hergestellt werden. Aber Stimmung ist launenhaft und fl?chtig. Sie h?ngt davon ab, wie und welche Menschen den Raum zeitlich vor dem Betreten des Kunden genutzt haben, ebenso wie die Gestimmtheit des Kunden beim Betreten des Raumes ausgepr?gt ist. Eine spontane Anpassung an den Kunden ist w?nschenswert
Reinigen von R?umen
Es ist also nicht nur die Gestaltung und die Art der Zusammenstellung dieser Umgebung von Bedeutung, sondern auch der pflegliche Umgang damit, wie ein Raum gestimmt ist und sich auf die Stimmung der Nutzer auswirkt. T?gliche atmosph?rische Reinigung ist ebenso erforderlich, wie spontan nach einem atmosph?rischen Eintrag z.B. durch Stre? und Streit. Denn der n?chste Nutzer wird diese Stimmung wahrnehmen!
Unterst?tzende Materialkonzepte
Jedes menschliche Tun hinterl?sst seine Spuren. Wir kennen das vom R?uchern. Dies gilt vor allem f?r R?ume, die sehr stark belebt sind, also auch unsere Praxisr?umlichkeiten. Jeder Klient hinterl?sst seine Spuren, die sich in den Materialien festsetzen. Es braucht regelm??ige Reinigung. Man kann sich das Leben aber erleichtern, wenn wir schon vorher die richtigen Materialien ausw?hlen.
Atmosph?re als Haltung und Einladung
Die ?berzeugende Haltung des Beraters ist eines der wichtigsten Wirkfaktoren f?r den Beratungs- und Therapieerfolg, noch st?rker als die fachliche Korrektheit eines erprobten Vorgehens. So liegt es nahe, diese ?berzeugtheit auch durch eine authentische Beratungs- und Behandlungsatmosph?re zum Ausdruck kommen zu lassen und diese aktiv zu gestalten.
Die Gestaltung r?umlicher Atmosph?ren verleitet schnell zu einer monokausalen Zuschreibung von physischen Raumeigenschaften zu individuellen Erlebnisr?umen. Rot an der Wand ist aber nicht immer rot im Erleben! Wichtiger ist die Sensibilit?t f?r eine gemeinsame Atmosph?re von Berater und Klient. Nur wenn die Stimmungen von Berater, Klient und Raum, getragen von einer gemeinsamen Atmosph?re, in Resonanz gehen, kann neben dem gebauten Raum auch der erlebte Raum seine Wirkung entfalten.

BETRIEBSIMPULSE
Mag. Wolfgang Strasser
Unternehmensberater
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