Monotonie in den Arbeitswelten

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Reizlosigkeit contra Reizüberflutung

In den Zentren moderner Städte jagt eine Reizüberflutung die nächste. Man bekommt alle Zustände, wenn man sich dem länger aussetzt. In den Vorstädten und den Siedlungen am Land dagegen schlafen einem sprichwörtlich die Füße ein. Monotonie wohin man sieht. Beide Extreme wurden zur krankmachenden Normalität. Sind diese Gegensätze notwendig, um einen lebens­fähigen Ausgleich zu schaffen? Oder lassen sich andere Ansätze von Lebensweltgestaltung diskutieren, die unsere kreativen und schöpferischen Seiten wieder zum Klingen bringen lassen? Schauen wir uns die Geschichte der Reize doch einmal genauer an.

Reizüberflutung

Leben in diesen Zeiten ist von unterschiedlichen Stress-Situationen begleitet. Elektro-Stress, Lärm-Stress, Licht-Stress, Geo-Stress, Dichte-Stress, usw. bilden Reizüberflutungen, die schwerwiegende Folgen auf die Psyche und in der Folge auf die Physis der Menschen haben können. Sie leisten ihren Beitrag auch zu Burn Out.

Reizlosigkeit

Monotonie ist die Bezeichnung für den Umstand, einer Situation ausgesetzt zu sein, die sehr wenige oder gar keine Veränderungen aufweist. Es kommt dabei zu einem Abfall der psychischen Wachheit, ermüdungsähnlichen Erscheinungen, Missstimmung und Sinnleere. Monotonie leistet seinen Beitrag auch zu Bore Out.

Gestapelte Monotonie

Viele Mehrparteienhäuser sind effiziente Wohnmaschinen der Massenmenschhaltung. Ein zur perfekten Einheitlichkeit geformter Quader aus Beton und Glas, eine effiziente wie idente Abfolge von anonymem Wohnraum, in dessen Inneren sich das Leben in all seiner Diversität abspielt.

Monotonie, die abfärbt

Leider muss ich auch aktuelle Trends im privaten Hausbau als monoton bezeichnen. Einfaltslose Kuben in nichtgestalteter grünlicher Fläche, Einraumlösungen mit Energieautobahnen, keine Wandfarben (Anmerkung: weiß ist keine Farbe) und Kunstdrucke als Beläge. Das klingt dramatisch, ist es auch. In der Hoffnung, dass sich die Diversität seinen Raum zurückerobert.

Frühe Prägungen

Folgenschwer sind Monotonie-Schäden, die im Kindesalter erworben werden. Wie soll sich die Sinneswelt des Kindes mit Inhalten füllen, wenn die Umwelt so monoton ist, dass sich das gleiche immer wiederholt und zugleich hässlich ist? Entfalten sich die Sinne in einer total tristen, monotonen Umgebung, so kann man später auch nur wieder Tristes, Monotones hervorbringen.

Mühsame Heilung

Als Erwachsener lassen sich solche Defizite nur schwerlich überwinden. Voraussetzung ist, dass man seine Defizite als solche erkannt hat, dass man gewillt ist zu lernen und Unterstützung von außen erhält. Selbst dann kann es lange dauern, bis vorhandene Monotonie-Schäden überwunden sind und bachliegendes kreatives Potential wenigstens teilweise wieder aktiviert ist.

Monotone Lebensräume

Monotone Architektur erzeugt monotone Menschen und monotone Menschen erzeugen wieder monotone Lebensräume. Der Einwand lautet meistens: Ja, aber in erster Linie entscheidet ein gesundes Familienleben über die Entwicklung des Kindes. Stimmt, aber ein gesundes Familienleben ist leider in manchen Wohnsiedlungen kaum aufrechtzuerhalten. Und so schließt sich der Kreis.

Es stellt sich die Frage:

Wenn Menschen das Bedürfnis nach Abwechslung und Vielseitigkeit haben, warum schaffen wir uns dann überall eine eintönige Umgebung? Eine Antwort wäre, weil wir mit allseitigen Reiz­überflutungen konfrontiert sind. Es braucht eine Beruhigung und nicht eine noch gesteigerte Reizmaßlosigkeit. Dem kann ich grundsätzlich zustimmen.

Reizlosigkeit ist nicht das Gegenteil von Reizüberflutung

Der Denkfehler liegt in der Gegenüberstellung von Reizlosigkeit und Reizüberflutung. Die beiden Qualitäten bilden nicht die Enden einer Achse, sondern liegen auf zwei verschiedenen Achsen. Begriffe wie Reizvielfalt und Reizberuhigung können das Diagramm vervollständigen. 

Die Natur als vielfältiges Vorbild

Die Natur ist dafür das Vorbild. Sie ist lebendig, ihre Formen haben etwas Fließendes, Rhythmisches. Kein Blatt, keine Blüte gleicht einer anderen vollständig. Selbst das Mineral­reich ist lebendig und bringt eine unendliche Vielfalt an Kristallformen hervor.

Vielfalt innerhalb einer Grundordnung

Nimmt man die Natur als Vorbild, z.B. einen Wald, so kann man beobachten, dass kein Baum dem anderen gleicht. Dennoch ist die Grundstruktur jedes Baumes vergleichbar aufgebaut. Diese Vielfalt innerhalb einer Grundordnung ist es, die uns einen Wald so harmonisch erscheinen lässt. Für spannungsvolle Abwechslung sorgen einzelne Landschaftselemente, wie Lichtungen, Bäche, Seen.

Vielfältige Harmonie in der Architektur

In früheren Bautraditionen haben Architekten und Baumeister das Spiel beherrscht. Die Baustile der Vergangenheit haben unendliche Ausdrucksformen innerhalb einer jeweiligen Grundordnung. Die Vielfalt der Architekturelemente bringt Reizvielfalt, die gemeinsame Grundordnung die notwendige Reizberuhigung. Von Monotonie kann man in keinem Fall sprechen, auch nicht von Reizüberflutung.

Wohin geht die Entwicklung? Muss unsere Architektur ihr Formenspiel erst entdecken? Auf jeden Fall, ob sie es kann, weiß ich nicht. Dass moderne Architektur mit Reizvielfalt möglich ist, zeigen Beispiele. Dazu braucht es aber auch eine Erweiterung des Formenkanons, beispielsweise um eine weibliche Formensprache. Und da ist mein Positivismus auch schon wieder dahin. Yang dominiert, überall.


BETRIEBSIMPULSE
Mag. Wolfgang Strasser
Unternehmensberater

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